Eine mittelalterliche Brühler Stadtabbildung

Von Peter Zilliken, Brühl (auszugsweise aus 'Brühler Heimatblätter', April 1954, Nr. 2)

 

In der Malerei des Mittelalters konnte von Stadt- und Landschaftsbildern, die eine genaue Ortsbeschreibung bringen, noch keine Rede sein. Erst im letzten Jahrhundert des Mittelalters, ja erst in seinen letzten Jahrzehnten begann man damit, an Ort und Stelle aufgenommene Skizzen, auf religiösen Tafel- und Wandgemälden als Hintergrund zu benutzen. Anderseits bringt aber Rolevincks Fasciculus temporum von 1479 als ein frühes Beispiel und eine seltene Ausnahme bereits Stadtbilder als Einzeldarstellungen.

 

Schon 1939 brachten W. Zimmermann und H. Neu in einer Veröffentlichung des Rheinischen Heimatbundes (Verlag Schwarm, Düsseldorf), betitelt „Das Werk des Malers Renier Roidkin“, eingehende Ausführungen über die Entwicklung der rheinischen Landschaftsdarstellung. Darin ist neben den wenigen spätgotischen Beispielen unter den rheinischen Tafel- und Wandgemälden, der Glasmalerei und des Buchdruckes, das Gemälde des Meisters der Verherrlichung Mariens genannt, das eine schöne und genaue Ansicht Kölns und der Rheinlandschaft zeigt.

 

Dieses Gemälde im Kölner Wallraf-Richartz-Museum bringt außer den auf ihm dargestellten Heiligen eine prachtvolle Kölner Stadtansicht, von der rechten Rheinseite her gesehen, mit ihren zahlreichen Kirchen, Häusern und der Wehrmauer, vielen Schiffen auf dem Strom und geschäftiges Treiben am Ufer: weiter sieht man auf ihm einen weiten Bereich des linksrheinischen Kölner Hinterlandes, der vom Siebengebirge über die Brauweiler Abtei hinaus zu den Grenzen des Niederrheins und im Westen bis zu den fernen Höhen der burgengekrönten Eifelberge reicht. Als Hintergrund des Altarbildes sind außer Köln auch Bonn, die Godesburg, Siegburg, Rheineck, am Vorgebirge Walberberg und viele andere Orte, unter dem Wimpel an dem Fähnlein des hl. Gereon auch das mittelalterliche Brühl mit seiner großen Landesburg der Kölner Erzbischöfe dargestellt. Wir kennen bisher keine ältere Brühler Stadtansicht.

 

Aber die Herausstellung dieser alten Brühler Stadtabbildung bedeutet heute kein Aufsehen erregendes Ereignis mehr. Seitdem vor 15 Jahren im Zusammenhang mit der Landschaftsdarstellung des Kölner Landes auf das Bild hingewiesen, es auf der Kölner stadtgeschichtlichen Ausstellung 1950 einem weiten Kreis von Besuchern gezeigt, gibt es kein Bild im Wallraf-Richartz- und Rheinischen Heimat-Museum, das für Zwecke der geschichtlichen Landeskunde häufiger in Anspruch genommen wird. Da jedoch die spätgotische Abbildung Brühls vielen Brühler Heimatfreunden noch unbekannt ist, folgen wir gern und dankbar der Anregung eines bewährten Heimatfreundes, des Studienrates Jacob Düffel aus Walberberg, uns mit ihr eingehender zu beschäftigen.

 

Brühl vor dem Jahr 1500

Nach der Abbildung auf einem Kölner Altarbild des Meisters der Verherrlichung Mariens (Goedert Butgyn van Aiche)

gezeichnet von Frl. A. Sasse, Brühl-Schwadorf

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Die Brühler Stadtansicht aus dem Ende des Mittelalters zeigt das Städtchen von Nordosten. Bei den Gebäuden des alten Kurfürstenschlosses sind drei hohe Türme sichtbar - zwei quadratische Türme und ein mächtiger, hoher Rundturm. Ganz außen ist an der Ostseite der großen quadratischen Burganlage vor der hohen östlichen Schildmauer, ein starker Turm, genannt „die grüne Tür“ und daneben an der Südseite der Turm, „die eiserne Tür“, erkennbar. Letzterer ist bis auf das obere Turmgeschoß durch den südlichen Wohnflügel der Burg verdeckt. Sehr wenig sichtbar ist auf dem Bilde jedoch der westliche Torturm. Alle überragt der runde St. Petersturm mit seinem hohen und spitzen Turmhelm an der Nordostseite. In ihm wurde der Stiftsschatz aufbewahrt. Die Mauertürme hatten etwa 10 Meter im Quadrat und der Rundturm gegen 15 Meter Außendurchmesser. Zwischen Rundturm und Ostturm erstreckte sich der sichtbar werdende hohe Saalbau an der Nordseite. Die Mauertürme stammten noch aus dem Ende des 13. Jh., während Rundturm und Saal in der Zeit des Erzbischofs Walram von Jülich (1332-1349) erbaut wurden.

 

Irgendwie müßte auf dem Bilde auch die 1736 beim Bau des heutigen Schlosses beseitigte Vorburg sichtbar werden. Es scheint sich in der Darstellung aber der Hinweis der Urkunde, Kurköln 4149, 1531, Juli 25., im Staatsarchiv Düsseldorf, zu bestätigen, worin vom Bau des neuen Vorwerks, also der an der Westseite gelegenen Vorburg, die Rede ist. Eine ähnliche Erweiterung hatte um 1500 auch die kurkölnische Landesburg in Linn am Niederrhein als Folge der Entwicklung der Feuerwaffen zu verzeichnen.

 

Neben dem hohen Rundturm sieht man dann - nach Nordwesten weitergehend - das Langhaus einer Kirche mit einem spitzen, gotischen Dachreiter. Es kann sich dabei nur um die seit 1491 erbaute und am 7./8. Dezember 1493 eingeweihte Klosterkirche der Franziskaner handeln. Das Kloster selbst schloß sich mit drei nebeneinanderliegenden Gebäude?ügeln an seine Kirche an, konnte also auf dem Bilde hinter der Klosterkirche nicht sichtbar werden. 

 

Der von Köln nach Brühl führende Landweg kennzeichnet das mächtige Kölntor. Da die 32 Meter lange Stadttoranlage etwas von der Seite gesehen wird, erscheint sie auf dem Bilde besonders wuchtig. Auf der Stadtseite stand das kleinere Innentor. Vom Schloß aus zieht sich die Wehrmauer rings um die Stadt. Neben dem Kölntor ist dann freistehend die Pfarrkirche dargestellt, deren Turm, mehr als Dachreiter gezeichnet, uns allerdings vom Westende der Kirche etwas zu weit nach der Mitte des Langhauses hingerückt erscheint. Am Rande der mauerumwehrten Stadt steht auf dem Bilde anscheinend noch ein mächtiger Stadtmauerturm, den man sich nach seiner Lage vielleicht an der Ecke Kempishof-Wallstraße stehend denken kann. Die Lage des nicht sichtbaren Uhltores deutet die an ihren Seiten mit Bäumen bepflanzte Landstraße über die Gabjei nach Liblar zum Schloß Gracht, nach Lechenich usw. an. Auch die Straße unterhalb dem Osthang des Vorgebirges entlang zeigt auf dem Bilde Baumreihen an ihren Rändern. Der alte Wildpark, als großes, eingeschlossenes Waldgebiet, der „Brühl“, bildet den von der Natur geschaffenen Ausgleich zur Stadt und ihrem mächtigen Schlosse. Malerisch erhebt sich im Hintergrund Brühls der durch Seitentäler reich gegliederte Osthang des Vorgebirges.